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Seeadler, früher auch Meeradler, Gänseadler, Goosaar, Gelbschnabel, Weißschwanz, weißschwänziger, aschgrauer, fahler und braunfahler Adler, grosser Fischadler, Fischgeier, Fischjäger, Pygarg, grosser Hosenadler, Hosenaar, Bein- oder Steinbrecher, Beinbrechadler, Gemsenadler, schwarzer und grosser schwarzer Adler, schwarzbrauner oder bärtiger Adler, auch Steinadler
Haliaeetus albicilla (Linné 1758); der aus den beiden Wörtern zusammengesetzte Name stammt aus dem griechischen hals für Salz (Bezug zum Meer) und aetos für Adler; das lateinische Wort albicilla bezieht sich auf den weißen Stoß und soll sich von albicare (weiß sein) ableiten, anderen Quellen nach soll es in Analogie zu den Namen für Bachstelze (Montacilla) oder Schnäpperwaldsänger (Ruticilla), die auffällige Schwänze besitzen, entstanden sein.
Bei den Völkern des Altertums und den Germanen war der Adler heilig und wurde verehrt, zudem war er ein Orakeltier. Die Griechen leiteten von ihm den ersten Buchstaben des Alphabetes ab, das A (Aquila). Der Legionsadler war ein mächtiger Fetisch, der von den Römern angebetet wurde. Auf Standarten wurde er in die Schlacht getragen. In einer Schlacht bei Mölsen (an der Elster) im Jahre 1080 taucht der Adler das erste Mal als Wappen bei den Deutschen auf. Heute führen ihn Deutschland, Österreich, Polen, Russland und die USA in ihren Wappen. Ob es sich dabei um den Steinadler (Aquila chrysaetos) oder den Seeadler handelt, ist nicht mehr mit Sicherheit zu klären, da die Artbestimmung (insbesondere bei unausgefärbten Seeadlern) nicht so genau möglich war wie heute.
Der Seeadler in deutschen Wappen
Der Seeadler kommt heute noch in Skandinavien, Mitteleuropa, von Südosteuropa bis Griechenland und in die Türkei und östlich über Russland bis an die Ostküsten Nordasiens vor. Die Südgrenze dieses Verbreitungsgebietes verläuft in Asien ungefähr entlang des 50. Breitengrades, mit kleinen Vorkommen am Schwarzen und Kaspischen Meer. Im Nordosten Chinas reicht die Verbreitung des Seeadlers bis zum Gelben Meer auf der Höhe von Nordkorea. Isolierte Vorkommen existieren an der Südwestküste Grönlands, auf Island, im Westen Schottlands und in Israel.
Ursprüngliches Verbreitungsgebiet:Das frühere Vorkommen des Seeadlers umfasste neben den oben beschrieben Gebieten große Teile in West- und Südeuropa und reichte bis nach Nordafrika. Als ausgestorben gilt der Seeadler z.B. noch immer in Italien, Schweiz, Frankreich, Spanien, Portugal, Faroer Inseln, Korsika, Sardinien und Irland.
Lebensraum:Der Lebensraum des Seeadlers erstreckt sich vom Polargebiet über die Tundra, den borealen Nadelwald, den sommergrünen Laubwald, den Steppen bis in den mediterranen Raum. Er ist hauptsächlich durch die Verfügbarkeit von Beutetieren charakterisiert und beinhaltet große Gewässer wie Seen, Flüsse, deren Mündungsgebiete oder die Meeresküste. Geeignete Brutmöglichkeiten finden sich auf starken Bäumen, in Felsen an der Küste und in ungestörten Gebieten auch auf Büschen oder sogar am Boden.
Bestandsentwicklung:Die Seeadlerbestände in Mittel- und Nordeuropa haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erholt. Nachdem die direkte Verfolgung des Seeadlers zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurückging und die Art unter Schutz gestellt wurde, kam es zunächst zu einem Populationsanstieg, der von dem großflächigen Einsatz von Pestiziden (insbesondere DDT) für die Land- und Forstwirtschaft gestoppt wurde. Das DDT führte zur Dünnschaligkeit der Eier, einer erhöhten Embryonensterblichkeit und gelegentlich zum Tod der Altvögel. Erst nachdem der Einsatz von DDT in den 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts verboten wurde, kam es ab Mitte der 80iger Jahre zu einem Anstieg der Seeadlerpopulation, der bis heute anhält. Mit dem Populationswachstum ist auch eine langsame Arealerweiterung in die nördliche, westliche und südliche Richtung verbunden. Der Bestand der Seeadler wird in insgesamt auf 8.500 bis 10.500 Paare geschätzt. In Europa leben die meisten Seeadler in Norwegen (> 1.500). In Deutschland gab es 2006 ca. 530 Paare.
Kennzeichen:Der Seeadler ist ein sehr großer Greifvogel mit weit ausladenden Flügeln, an deren Enden sich die gespreizten Handfedern wie Finger darstellen. Die Geschlechter sind gleich gefärbt, unterscheiden sich aber meist in der Größe. Ausgefärbte (adulte) Adler (ab dem 5. Lebensjahr) haben einen charakteristischen weißen Schwanz und einen gelben Schnabel. Das Gefieder ist mittelbraun und kann, je nach Mauserzustand, aufgrund älterer und jüngerer Federn mit unterschiedlichen Brauntönen schuppig wirken. Der Kopf- und Halsbereich und ein Teil der Brust heben sich bei älteren Adlern vom restlichen Gefieder durch einen helleren Braunton, der blond erscheinen kann, ab. Die Irisfarbe wird mit zunehmendem Alter heller und verändert sich von braun bei den Nestlingen zu gelblich/bernsteinfarben bei adulten Seeadlern. Nestlinge haben einen braunen Schnabel, der sich bis zum Alter von 5 Jahren von der Basis (Wachshaut) zur Spitze langsam gelb färbt. Jungvögel bis zum 4. Lebensjahr sind im Gefieder dunkler gefärbt. Der Schwanz der Jungvögel ist unregelmäßig dunkelbraun bis schwarz gefärbt und weist unregelmäßige weiße Sprenkel auf. Im Verlauf der Mauser zum adulten Gefieder nimmt der Weißanteil im Stoß zu und nur die Federränder der Stoßfedern weisen noch braune Säume auf, die bei ausgefärbten Adlern vollständig weiß werden. Die Basis der Stoßfedern weist eine individuelle, dunkle Pigmentverteilung auf.
Fortpflanzung:Die der Fortpflanzung vorausgehende Balz beginnt schon im Herbst und hat ihren Höhepunkt kurz vor der Paarung in Februar/März. Dabei rufen die Adler häufig im Duett. Gelegentlich lassen sich die Stimmen der Partner unterscheiden, wenn das Weibchen in einer tieferen und das Männchen einer höheren Tonlage ruft. Im Balzflug sind beide Vögel dicht neben- oder übereinander zu sehen, wobei sie sich häufig zueinander drehen, so dass der untere Partner kurzzeitig auf dem Rücken fliegt. Gelegentlich greifen sie sich dann an den Füßen und schlagen ein Rad.
Der alte Horst wird bis zur Paarung ausgebessert, oder ein neuer errichtet. Dazu werden Stamm- oder Astgabeln, alte Nester von Raben oder Greifvögeln, selten Hexenbesen als Unterlagen gewählt. Trockene, bis zu armstarke Äste werden vom Boden aufgesammelt oder von Bäumen abgebrochen. Die Horstmulde wird mit kleineren Ästen und Zweigen von Laub- und Nadelbäumen und Gras ausgepolstert. Während der Brut und Jungenaufzucht wird der Horst regelmäßig mit frischen Zweigen, die Nadeln oder Blätter aufweisen, begrünt. Als Horstbäume dienen in Deutschland je nach Standort hauptsächlich Kiefern und Buchen, gelegentlich Fichten, Tannen, Eichen, Weiden, Pappeln und Erlen. Da die Horste über viele Jahre genutzt und dabei immer wieder aufgebaut werden, können sie beträchtliche Ausmaße annehmen. Als Standorte werden gerne ruhige und lichte Altholzbestände, die einen freien Anflug auf den Horst ermöglichen, gewählt.
Kopulationen finden in Horstumfeld auf Bäumen oder am Boden und direkt im Horst statt und können über den gesamten Tagesverlauf beobachtet werden, wobei eine Häufung in den Morgenstunden erfolgt. Mit der Eiablage endet die Balz. Die zwei bis drei weißen Eier werden in Abständen von 1 bis 3 Tagen Ende Februar bis Mitte März gelegt. Die Brutdauer beträgt ca. 38 Tage und wird mit dem ersten Ei begonnen. Beide Partner brüten, wobei das Weibchen oft den größeren Anteil daran hat. Es gibt nur eine Jahresbrut, Nachgelege sind sehr selten. Die Nestlingsdauer beträgt ca. 90 Tage. Die Jungvögel werden von beiden Altvögeln gehudert und gefüttert, wobei in den ersten Lebenstagen sehr kleine Stücke aus der Beute herausgerissen und behutsam an die Jungvögel verfüttert werden. Später ist der Hunger und die Aggression der Jungvögel so groß, dass die Altvögel die Beute z.T. nur noch in den Horst fallen lassen und sich so kurz wie möglich im Horst mit den Jungadlern aufhalten. Häufig klettern die Jungadler kurz vor dem Ausfliegen auf den horstnahen Ästen im Brutbaum umher.
Revier:Die Lage und Größe des Reviers ist abhängig von der Nahrungsverfügbarkeit, einem geeignetem Horststandort, Jagd- und Ruhewarten und der unmittelbaren Störungsintensität durch den Menschen. In reich strukturierten, störungsarmen Lebensräumen können die Reviere sehr klein sein und grenzen mosaikartig aneinander. Die GPS-gestützte Satellitentelemetrie an einem adulten, weiblichen Seeadler an der Mecklenburger Seenplatte ergab eine Reviergröße von nur 7,3 bzw. 48,5 km² (abhängig vom Analyseverfahren: Kernel bzw. Minimum Konvex Polygon). Revierpaare zeigen ein ausgeprägtes Territorialverhalten und verteidigen das Revier an seinen Grenzen gegen ausgefärbte Artgenossen.
Verhalten:Die monogamen Seeadler zeichnen sich durch eine wahrscheinlich lebenslange Dauerehe aus. Sie halten sich in den gemäßigten Klimazonen ganzjährig in ihrem Revier auf. Das Revier wird gegen eindringende Altvögel vehement verteidigt. Reagiert der Eindringling nicht auf die Warnrufe und auf Sichtkontakt, kommt es nicht selten zum Kampf zwischen den Adlern, wobei die Auseinandersetzung so heftig geführt werden, dass diese zu Verletzungen oder sogar zum Tod eines Vogels führen können. Möglicherweise lässt die Territorialität der Seeadler im Winter nach, und mehrere Altvögel können sich an nahrungsreichen Stellen (z.B. einem Kadaver) einfinden.
Als tagaktiver Vogel jagt der Seeadler von der frühen Morgendämmerung bis zur Abenddämmerung, nur selten sind Seeadler in hellen Nächten noch aktiv. Die Aktivität ist nicht an eine bestimmte Tageszeit gebunden, sondern richtet sich vielmehr nach den Wetterbedingungen, die ein energieeffizientes Fliegen ermöglichen. Bei Regen oder Windstille ist die Flugaktivität deutlich reduziert.
Ist im Winter die Nahrungsverfügbarkeit vermindert, wird der Aktionsradius erweitert und ein größeres Gebiet nach Beute abgesucht. Seeadler im Nordosten des Verbreitungsgebietes verlassen im Winter regelmäßig ihr Revier und ziehen südlich, wobei sie sich an eisfreien Flüssen, Seen oder der Meeresküste mit gutem Zugang zu Beutetieren sammeln können.
Abhängig von der Verfügbarkeit der Nahrung im elterlichen Revier verlassen die Jungadler dieses früher oder später. Teilweise sind die Jungvögel schon wenige Wochen nach dem Flüggewerden hunderte von Kilometern entfernt anzutreffen, in anderen Fällen halten sich die Jungadler noch monatelang im elterlichen Revier auf, bevor sie dieses verlassen. Jungvögel und unausgefärbte Seeadler bis zu einem Alter von 4 bis 5 Jahren streifen auf der Suche nach geeigneten Nahrungsquellen großräumig umher. Dabei nähern sie sich in jedem Frühjahr dem elterlichen Horst an und verlassen die Region wieder zum Herbst hin. Ansammlungen von Jungvögeln werden häufig an Stellen mit leichtem Zugang zu Beutetieren gefunden, wie z.B. Fischteichen, Kormorankolonien, Haustierhaltungen mit Kadaveraufkommen. Die Suche nach Nahrung wird den Jungvögeln dadurch erleichtert, dass sie von den Altvögeln im Verbreitungsgebiet geduldet und nicht attackiert werden.
Nahrung:Seeadler sind Nahrungsopportunisten. Sie ernähren sich von Fischen und Wasservögeln, die mit dem geringsten Aufwand zu erbeuten sind. Im Frühjahr gehören Hechte, die in den flachen Gräben und Uferbereichen laichen, zur Hauptbeute. Später verschiebt sich das Spektrum zu den Weißfischen, insbesondere den Karpfenartigen (z.B. Brassen, Güster, Rotaugen, Rotfedern, Karauschen, etc.).
In Abhängigkeit von Angebot und Zugang zur Nahrung verändert sich die Zusammensetzung der Beute im Jahresverlauf. Von Hochsommer bis Herbst werden mausernde Wasservögel erbeutet. Insbesondere im Winter steht Aas in Form von Fallwild oder Wildaufbrüchen ganz oben auf der Speiseliste. Einzelne Blässrallen oder Enten werden bei der Jagd eines Seeadlerpaares häufig abwechselnd angegriffen und so ermüdet. Besonders an eisfreien Restlöchern auf den ansonsten zugefrorenen Seen, an denen sich in strengen Wintern Wasservögel sammeln, haben Seeadler ein leichtes Spiel. Großvögel wie Kraniche, Störche und Schwäne fallen dem Seeadler hauptsächlich als kranke oder verletzte Tiere zum Opfer. Dem Fischadler und anderen Greifvögeln jagt er gerne die Beute ab. Gelegentlich wird ein Greifvogel einer anderen Art (z.B. Mäusebussard) als Nestling geraubt und als Beute in den Horst getragen, wobei es vorkommt, dass der fremde Greifvogel dies eine zeitlang überlebt und sogar flügge wird, wie im Jahr 2002 in der Oberlausitz und 2005 in Mecklenburg.
Junge Seeadler finden sich dort ein, wo der Tisch reich gedeckt ist, wie z. B. an Fischteichen, die vor dem Winter abgelassen werden wodurch die Fische im flachen Wasser kaum Fluchtmöglichkeiten haben. In Kormorankolonien werden die von den Kormoranen ausgewürgten und am Boden liegenden Fische ebenso gefressen, wie Jungvögel aus den Nestern.
Stimme:Das Lautrepertoire des Seeadlers ist vielfältig. Das ganze Jahr über ist die Stimme des Seeadlers zu hören, doch zur Balzzeit besonders häufig. Der Duettruf des Paares klingt etwa wie: „hijak-hiejack- ijack- jack- jack”. Das Männchen beginnt mit dem Ruf, in den das Weibchen dann einsteigt, wobei die Stimme des Weibchens häufig ein wenig tiefer klingt als die des Männchens. Innerhalb des Duettgesanges ist noch ein so genanntes „Glucksen“ zu hören, dabei wirft der männliche Adler den Kopf etwas nach hinten. Der Duettgesang dient der Paarbindung. Während der Kopulation werden andere Rufe ausgestoßen, die eher an ein „Gackern“ erinnern und leiser vorgetragen werden als der Duettruf. Gegenüber Artgenossen oder anderen Feinden, bei der Nahrungsübergabe und bei der Begrüßung am Horst sind wiederum andere Rufe zu hören. Die Bettelrufe der Jungvögel klingen durchdringend „piiihe piiie…“.
Literatur:Fischer W. (1995) Die Seeadler. 5. unveränderte Aufl. Neue Brehm Bücherei, Westarp Wissenschaften, Magdeburg
Gattiker E. und L. Gattiker (1989) Die Vögel im Volksglauben. Aula Verlag, Wiesbaden
Glutz von Blotzheim, U. (1971) Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 4 Falconiformes
Hansen G., P. Hauff, und W. Spillner (2004) Seeadler, gestern und heute. Verlag Hoyer, Galenbeck
Helander B., M. Marquiss und W. Bowermann (2003) Sea Eagle 2000. Tagungsband der internationalen Seeadlerkonferenz in Björko, Schweden, Svenska Naturskyddsföreningen, Stockholm
Hennicke, C. R. (1896-1905) Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas. 5. Band, Verlag Köhler, Gera, 409 pp.
Mebs T. und D. Schmidt (2006) Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart