Populationsdemographie und der Einfluss von Bleivergiftungen auf die Populationsdynamik:
Seit 1980 wächst die deutsche Seeadlerpopulation exponentiell dank dem Verbot des Pestizids DDT in den 1970er Jahren und dem Rückgang der menschlichen Störungen in den Brutrevieren. Zwischen 1980 und 2000 hat sich die Anzahl der Seeadlerpaare in Deutschland verdoppelt. Im Jahre 2004 gab es in Deutschland ungefähr 470 Paare (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Bestand des Seeadlers in Deutschland in den Jahren 2003/2004 (Quelle: Mebs & Schmidt, 2006 – in: Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens).
Aufgrund der DDT-Anwendung in den 1950er und 1960er Jahren war die Reproduktionsrate der deutschen Seeadlerpopulation sehr niedrig. Deshalb war damals der Anteil an Jungvögeln in der Population sehr gering und das Durchschnittsalter hoch. Seit ca. 1980 ist die Altersstruktur des Bestandes dank zunehmender Reproduktionsraten wieder ausgeglichen.
Wegen seiner Ernährungsgewohnheiten ist der Seeadler vielfältigen Umweltschadstoffen ausgesetzt (siehe Thema Nahrung). Aber da die deutsche Seeadlerpopulation sich gegenwärtig in einer Wachstumsphase befindet, wird der Einfluss der Bleivergiftungen auf die Population häufig als irrelevant betrachtet. Jedoch zeigen neue Studien, dass diese Bedrohung wichtiger ist, als man bisher angenommen hat. Bleivergiftungen sind eine der häufigsten Todesursachen bei Seeadlern in Deutschland. Von allen untersuchten toten Seeadlern aus Deutschland und Österreich starben 28% an einer Bleivergiftung (Kenntner et al. 2003, Krone et al. 2002).
Es ist noch unklar, in wie weit Bleivergiftungen die Populationsdynamik des Seeadlers beeinflussen. Aus der Problematik ergeben sich vielfältige Fragen:
Spielen Bleivergiftungen eine Rolle bezüglich der Bewegungsmuster von Seeadlern? Die Ansiedlung von Brutpaaren außerhalb des Stammgebietes und die Auswanderung von Jungtieren könnte die Konsequenz wiederholter Vergiftungen von Seeadlern in ansonsten geeigneten Biotopen sein.
Ist jede Altersklasse gleichermaßen von Bleivergiftungen betroffen? Hat der Vergiftungstod von Altvögeln die selben Konsequenzen auf die Populationsdynamik wie die Vergiftungen der juvenilen Adler?
